Bradley Manning 1.000 Tage in Haft – Informationen, Aktionen und ein klein wenig Prosa

Vor 1.000 Tagen wurde der us-amerikanische Soldat Bradley Manning verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, geheime Dokumente an Wiki-Leaks gegeben zu haben, darunter das sog. „Collateral Murder“-Video, das den Beschuss und die Tötung von zwei Reuters-Journalisten sowie zahlreichen irakischen Zivilisten am 12. Juli 2007 in Bagdad zeigt. Mannings Haftbedingungen wurden wiederholt scharf kritisiert, so u.a. Juan Méndez, dem Sonderberichterstatter über Folter der Vereinten Nationen. Méndez nannte Mannings Haftbedingungen in Quantico (Virginia), wo dieser von Juli 2010 bis April 2011 untergebracht war, „grausam, unmenschlich und demütigend“.

Zahlreiche andere Personen, unter ihnen namhafte Rechtsanwälte, Journalisten, Politiker und Menschenrechtsaktivisten, sind zum gleichen Urteil gelangt. Sämtliche Versuche von Mannings Anwalt, den Inhaftierten aufgrund der Haftumstände und der überlangen, rechtswidrigen Dauer der Untersuchungshaft freizubekommen, wurden von der zuständigen Richterin vor kurzem abgelehnt und Manning lediglich 112 Tage auf die später zu verbüßende Haft angerechnet. Dies kommt nicht nur einer Vorverurteilung gleich, sondern ist angesichts der drohenden – und von der Anklage auch geforderten – lebenslangen Freiheitsstrafe geradezu zynisch. Überdies entschied die Richterin, dass Mannings Motive bei der Weitergabe der Dokumente an Wikileaks bei der Entscheidungsfindung keine Berücksichtigung finden und als „ungültige Verteidigung“ verboten sind.

Manning hatte in den sog. Chat-Logs, die zu seiner späteren Verhaftung führten, geschrieben, er habe das Material – neben dem genannten Video noch rund 250.000 Botschaftsdepeschen, etwa 400.000 Geheimdokumente aus dem Irak-Krieg und etwa 90.000 Militär-Reports aus Afghanistan – deshalb weiterverbeitet, weil darin eine Vielzahl verbrecherischer Praktiken und Ereignisse aufgezeigt werden, „things that belonged in the public domain, and not on some server stored in a dark room in Washington DC.“ Und weiter erklärte Manning, er hoffe, die Veröffentlichung der Dokumente führe zu „worldwide discussion, debates, and reforms – if not than we’re doomed as a species – i will officially give up on the society we have if nothing happens. i want people to see the truth… regardless of who they are… because without information, you cannot make informed decisions as a public.“

Genau diese Intentionen und die damit verbundenen Informationen aber gelten nach einem richterlichen Beschluss in der Voranhörung als „nicht gültige Verteidigung“, d.h. sie dürfen von Mannings Verteidiger nicht vorgebracht werden und finden, so die Richterin, höchstens bei der Strafhöhe Berücksichtigung.
Auch die Forderung von Mannings Anwalt, Beweise für übertriebene Geheimhaltung durch die Regierung vorbringen zu dürfen, wurden mit der Begründung abgeleht, dass, wenn jeder anfange, die herrschende Geheimhaltung in Frage zu stellen, das ganze System zusammenbrechen würde. Eine gewiss nicht nur für Bradley Manning nicht ganz unangenehme Vorstellung – und trotzdem in ihrer argumentativen Absurdität kaum noch zu überbieten.

Kurzum, die Verhandlung im Fall United States of America vs. Bradley Manning droht nach allem, was bisher durch die zuständige Richterin entschieden und seitens der Anklage vorgebracht wurde, zu einer Farce zu werden. Sie ist, nach einer Vielzahl von Verschiebungen, nun für Juni terminiert. Fürs erste aber finden am 23.02. anlässlich von Mannings eintausendstem Tag in Gefangenschaft weltweit zahlreiche Protestaktionen statt. Auch in Berlin wird es eine Kundgebung geben. Wer mehr erfahren will, kann sich auf http://www.bradleymanning.org/ (englisch, internationale Seite) oder unter http://www.freebradleymanning.net/ (deutschsprachige Seite) informieren.

Und für alle, die Lust haben, sich literarisch mit dem Fall zu befassen, dem sei ein heute erschienenes Prosastück von Francis Nenik empfohlen, der die Geschichte Bradley Mannings aus der Sicht eines Anklägers(!) geschrieben hat. Sozusagen Protest durch Übertreibung und Bloßstellen der Sprache und Argumentation derjenigen, die nichts lieber sehen als Whistleblower, die mundtot gemacht und weggesperrt werden. Denn eines ist sicher: Bradley Manning ist nicht der einzige, dem wegen seines Offenlegens von Missständen und seines Eintretens für freie Informationen eine langjährige Haft, und im schlimmsten Fall sogar die Todesstrafe droht.

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