Transatlantisches Freihandelsabkommen stoppen

Wie vor einigen Monaten bereits hier geschrieben, verhandeln EU-Kommission und US-Regierung derzeit die Transatlantische Han­dels- und Investitionspartnerschaft (TTIP). Die Verhandlungen finden weitgehend abgeschirmt von der kritischen Öffentlichkeit statt und auch die Parlamente der betroffenen Länder werden nicht ausreichend informiert – sie sollen erst nach Vertragsabschluss mit „ja“ oder „nein“ abstimmen.
Gegenstand der geplanten Vereinbarung ist keine Kleinigkeit: Es geht um die Etablierung der größten Freihandelszone auf der Erde. Bereits jetzt erwirtschaften EU und USA zusammen fast die Hälfte des globalen Brutto­inlandprodukts – TTIP soll ihre dominante Position in der Konkurrenz zu den sogenannten Schwellenländern absichern.
Auch die Menschen in Europa und Amerika haben einschneidende Ver­schlechterungen ihrer Lebensqualität zu befürchten. Es ist zu erwarten, dass demokra­tische Rechte, soziale Standards, Klimaschutz und Finanzmarktkontrolle auf dem jeweils niedrigsten Level „harmonisiert“ werden sollen. TTIP wird außerdem die Macht der Konzerne stärken und die Gestaltungsmöglichkei­ten der Gesellschaft massiv einschränken.

An dieser Stelle etwas mehr Informationen zur geplanten

Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Investment Partnership):

Anfang Juli wurde die erste Verhandlungsrunde zur größte Freihandelszone der Welt eingeläutet, zwei weitere Runden folgen noch bis Ende  des Jahres. Eile ist aus verschiedenen Gründen angesagt, wenn das Abkommen 2015 in Kraft treten soll. Zum einen wird nach den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai 2014 Ende des Jahres eine neue EU Kommission ernannt, zum anderen finden Ende 2014 in den USA die Zwischenwahlen statt und 2015 beginnt die US Präsidentschaftswahlkampagne.

Die Entscheidung zur Aufnahme von Verhandlungen für einen transatlantischen Binnenmarkt zwischen den USA und der EU fiel vor allem vor dem Hintergrund

  • der seit 2008 andauernden Wirtschaftskrise; Wachstum und Beschäftigung diesseits und jenseits des Atlantik sollen angekurbelt werden.
  • der veränderten Kräfteverhältnisse im Welthandel; EU und USA wollen ihre Position gegenüber aufstrebenden Schwellenländern, insbesondere China, Indien und Brasilien, stärken.
  • der auf Eis liegenden multilateralen Verhandlungen im Rahmen der WTO; als Teil einer Mehrebenenstrategie der EU soll der bilaterale Vertrag  als  sog. „WTO-plus-Abkommen“ die dortige Erstarrung auflösen.

Karten auf den Tisch!

Auf dem Verhandlungstisch liegt der „größte bilaterale Handelsdeal“ aller Zeiten. Bereits jetzt erwirtschaften die EU und die USA gemeinsam fast die Hälfte des globalen BIP (47 %). Sie stehen für ein Drittel der weltweiten Handelsströme und für einen Markt mit 800 Millionen Menschen.
Es wird erwartet, dass die Vereinbarungen sich in einem jährlichen BIP-Zuwachs von insgesamt 0,5 % bis 1% des BIP für die EU  niederschlagen. Man erwartet, dass ein besserer Zugang zum US-Markt und eine größere Vereinbarkeit von Regulierungen zwischen der EU und den USA auch dem Lohnniveau zugute kommt und Preise senkt.

Unter dem beabsichtigten „umfassenden und ehrgeizigen Abkommen“  TTIP ist weit  mehr als eine reine Zollunion zu verstehen, sind doch Zölle bereits jetzt mit durchschnittlich 3% vergleichsweise niedrig.  Angestrebt  ist  eine weit darüber hinausgehende „wirtschaftliche Har-monisierung“ zwischen der EU und den USA. Zugleich soll damit der Weg  für neue globale Standards geebnet werden, d.h. externe Handelspartner der Freihandelszone sollen veranlasst werden, die bilateralen Liberalisierungen zu übernehmen.

TTIP-Verhandlungen zielen auf Ergebnisse in drei Bereichen:
Marktzugang

  • Zölle im transatlantischen Handel mit industriellen und landwirtschaftlichen Erzeugnissen sollen möglichst vollständig abgebaut werden.
  • Dienstleistungssektoren sollen zumindest so weit geöffnet werden, wie dies im Rahmen anderer Handelsabkommen bereits gelungen ist.
  • Für Investitionen soll das höchste Liberalisierungs- und Investitionsschutzniveau erreicht werden, das beide Seiten bisher im Rahmen anderer Handelsabkommen vereinbart haben.
  • das öffentliche Beschaffungswesen der USA soll  auf allen staatlichen Ebenen  geöffnet werden.

Regulierungsfragen und nichttarifäre Handelshemmnisse

  • „Handelsbarrieren hinter den Zollgrenzen“ werden als größte Hemmnisse für den Freihandel betrachtet; daher sollen diese nicht-tarifäre Handelshemmnisse (Non-Trade Barriers, NTBs) möglichst weit  aufeinander abgestimmt oder gegenseitig anerkannt werden.

Berücksichtigung der gemeinsamen globalen Herausforderungen und Chancen des Handels  im 21. Jahrhundert

  • Da TTIP Auswirkungen auf globale Handelsströme hat, will man sich mit Bereichen beschäftigen, die einen Beitrag zur Stärkung des multilateralen Handelssystems leisten.
  • Rechte des geistigen Eigentums:  Ein hohes Schutzniveau soll aufrecht erhalten und  befördert werden.

TTIP – ein ehrgeiziges Abkommen des 21. Jahrhunderts?

Schon jetzt steckt das Wirtschaftsmodell von EU und USA in ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Krisen. Ausbeutung von Mensch, Tier und Umwelt sind an der Tagesordnung. Schon jetzt bleiben Demokratie, soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz und Finanzmarktkontrolle  auf der Strecke. Der Glaube, dass Konkurrenz und ständiges  Wirtschaftswachstum  den Wohlstand steigern und gesellschaftliche Probleme lösen könne, beherrscht das Denken der Eliten. Getreu der Strategie für ein global wettbewerbsfähiges Europa beharrt die EU  auf dem Wachstumsdogma und ruft nach noch  mehr Handelsströmen, mehr Liberalisierung und Deregulierung im Interesse von Unternehmen.
Mit TTIP setzt die EU-Kommission erneut auf Geheimverhandlungen unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit und der Parlamente; mit „vertraulich“  ist das Mandat markiert, das die Verhandlungsrichtlinien für die EU-Kommission festgelegt. Die Öffentlichkeit darf sich wieder einmal aus durchgesickerten Papieren informieren.

power-shift.de;
http://www.iatp.org/files/TPC-TTIP-non-Papers-for-1st-Round-Negotiatons-June20-2013.pdf  

Es spricht demokratischen Prinzipien Hohn, wenn die Parlamente nach Abschluss der Ver-handlungen  nur über den gesamten Vertrag mit ja oder nein beschließen können.

Die im Rahmen der WTO am Widerstand vieler Staaten gescheiterten Themen „öffentliches Beschaffungswesen“ und Schutz von Investitionen werden nun in einem bilateralen Abkommen verhandelt. Regulierungen im Interesse von lokaler Wirtschaftsförderung  können so ausgehebelt werden.
Investor-Staat-Schiedsverfahren sollen internationalen Konzernen sogar Extra-Klagerechte außerhalb  staatlicher Justiz  und unter Ausschluss der Öffentlichkeit ermöglichen. Investoren sind damit legitimiert, den Schutz von  Verbrauchern, öffentlicher Gesundheit und Umwelt zu untergraben.

Im Brennpunkt der Verhandlungen werden nicht-tarifäre Handelshemmnisse stehen. Butterweiche Formulierungen zur gegenseitigen Anerkennung der Regulierungssysteme der USA und der EU können nicht darüber hinwegtäuschen, dass  es hier im Kern um tief einschneidende Eingriffe in den Alltag der Menschen geht, wenn bäuerliche Landwirtschaft und  Ernährungssouveränität – Stichwort Genfood, Hormonfleisch und Chlorhühnchen – oder das Vorsorgeprinzip, Verbraucher-, Umwelt- und Gesundheitsschutz im Interesse von Konzernen unter den Tisch gekehrt werden.

TTIP ist alter Wein in neuen Schläuchen. Freihandels- und Investorenschutz-Rezepte aus dem 20. Jahrhundert nach Art der WTO sind keine Lösung für die aktuellen Herausforderungen. Eine transatlantische Partnerschaft für die sozial-ökologische Transformation sieht ganz anders aus!
Forderungen von Attac:

Transparenz statt Geheimdiplomatie: Die TTIP- Verhandlungen müssen auf ein demokratisches Fundament gestellt, Verhandlungs-Dokumente veröffentlicht werden.

Stopp der „Global Europe“ – Strategie: Die EU-Kommission muss ihre Wirtschaftspolitik an den Bedürfnissen der Menschen und nicht länger an den Interessen der Konzerne ausrichten.

Keine privilegierte Klagerechte für Konzerne: grundlegende Prinzipien des Rechtsstaats müssen Vorrang vor Profitinteressen von Investoren haben.

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Das „Seattle to Brussels Network“ hat zum geplanten TTIP ebenfalls eine Broschüre veröffentlicht, die (auf englisch) hier einsehbar ist (pdf).

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Hier noch ein Beitrag auf Radio Lora München zum TAFTA:

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Ein Bericht vom 26.11.13 im ARD Report München zum Thema:

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Demnächst organisieren wir eine Veranstaltung dazu: Am Mittwoch, 4.12. ab 18 Uhr haben wir Harald Klimenta in die Schaubühne Lindenfels eingeladen um über das Thema zu referieren und mit uns gemeinsam zu diskutieren. Der Eintritt ist wie immer frei!

2013-12-04 MittwochsATTACke attac Leipzig TTIP Freihandelsabkommen USA EU Harald Klimenta

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